Erstmals gerichtlich festgestellt: Hummer können leiden

Röttgen, Kluge & Hund Rechtsanwälte erzielen Erfolg für Bezirksamt Spandau im „Hummer-Verfahren“: Tierschutzgesetz gilt auch für Hummer!

Hummer können leiden. Dies entschied am 15.02.2017 die 24. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin in einem richtungsweisenden Urteil (Az. VG 24 K 188.14). Veterinärbehörden, wie das von Röttgen, Kluge und Hund Rechtsanwälte Partnerschaft mbB vertretene Bezirksamt Spandau, dürfen demnach auch bei der Hummerhaltung zum Schutze der Hummer eingreifen.

Diese Klarstellung ist erforderlich, weil bedauerlicherweise Teile der Presse, wie vor allem der wahrscheinlich nicht einmal im Sitzungssaal vertretene TAGESSPIEGEL, erkennbar nicht verstanden haben, dass allein die Leidensfähigkeit der Hummer wesentlicher Gegenstand des Verfahrens war.

Noch zu Anfang des Prozesses hatte die „METRO Cash and Carry GmbH“, welche als Kläger gegen Auflagen des Bezirksamtes Spandau vorgehen wollte, die Leidensfähigkeit von Hummern und deren Vermögen, Schmerzen zu empfinden, bestritten. Es sei nicht nachgewiesen, ob ein Hummer Stress empfinde oder einfach aus Reflex das Licht und meistens den engen Kontakt zu anderen Artgenossen meide. Bei Richtigkeit dieser These wäre § 16a I des Tierschutzgesetzes nicht erfüllt und es gäbe somit keine Rechtsgrundlage für ein Handeln der Behörde.

Durch den Sachverständigen Jan Wolter, Vizepräsident der Tierärztekammer Berlin, wurde das Argument der METRO jedoch eindeutig widerlegt. Hummer handeln nicht auf Grund von Reflexen, sondern hätten die Fähigkeit, Angst oder Stress zu empfinden. Sie könnten also leiden im Sinne des § 2 Nr. 2 Alt. 2 Tierschutzgesetz und deshalb habe die Behörde auch die Möglichkeit zu handeln. Das Urteil bestätigt nun die Auffassung von Veterinärbehörde und Gutachter. Dies ist ein entscheidender Erfolg für den Tierschutz und das Bezirksamt Spandau, das diese Auffassung unter der politischen Verantwortung des zuständigen Bezirksstadtrates Machulik (SPD) seit langem vertritt.

Darüber hinaus ging es in der mündlichen Gerichtsverhandlung um die Frage, wie behördliches Handeln aussehen dürfe. Es ging also etwa um Detailfragen, wie etwa die nach den Wasserwerten, die ein Leiden im Sinne des Tierschutzgesetzes verhindern. Ebenfalls umstritten war die Frage, ob es ausreiche, einen bis 550 Gramm wiegenden Hummer auf 250 cm2 zu halten oder ob ihm nicht eine Grundfläche von 290 cm2 als Mindestanforderung zugestanden werden müsse (im Vergleich: ein halbes A4-Papier hat 310.8 cm2) und ob es nötig und durchführbar ist, jedem Hummer die Möglichkeit zu geben, sich zurück zu ziehen um sich vor möglichen Angriffen der sonst als Einzelgänger lebenden Artgenossen schützen zu können. Auch stellte sich die Frage, ob ein Veterinäramt hummerverkaufenden Unternehmen wie der „METRO Cash and Carry GmbH“ eine Dokumentationspflicht auferlegen könne, wenn dies die einzige Möglichkeit sei, Wasserwerte sowie die Lieferzeiten der Hummer zu überprüfen.

Einige der behördlichen Auflagen akzeptierte die METRO während des Verfahrens und begründete dies damit, dass diese sowieso eingehalten würden. Insgesamt vier von fünfzehn Punkten der Auflage hob das Verwaltungsgericht Berlin auf. Im Tenor des Urteils machte der Vorsitzende Richter Christian Oestmann seine Auffassung deutlich, dass die Frage der Nutzung von Hummern eine grundsätzliche politische Frage sei. Jedoch seien Hummer leidensfähig und es deshalb ein Gebot des Tierschutzgesetzes, dieses Leid auf möglichst geringer Stufe zu halten.

Rechtsanwalt Hans-Georg Kluge widersprach der Auffassung Oestmanns teilweise vehement. Die Frage, ob etwa die Tierschutzschlachtverordnung mit der Anordnung, Hummer durch Kochen im heißen Wasser zu töten, mit dem höherrangigen Tierschutzgesetz vereinbar sei, müsse und könne von den Verwaltungsgerichten entschieden werden, weil diese Recht unterhalb von formellen Gesetzen nach der Verfassungsordnung selbstständig verwerfen können und ggf. müssen. RA Kluge äußerte allerdings als ehemaliger Verwaltungsrichter ein gewisses Verständnis dafür, dass diese
schwierigen Rechtsfragen von Richtern ungern bereits in der ersten Instanz diskutiert würden. Umso wichtiger sei, dass das Verwaltungsgericht die Berufung zugelassen habe. Diese Entscheidung sei richtig und wichtig für die Fortentwicklung der Rechtsprechung zum Tierschutzgesetz.

Hintergrund:
Hummer werden bei dem Großhandel „METRO Cash and Carry GmbH“ in Berlin- Spandau wie auch anderswo als Lebendware verkauft. Hierfür stehen 3 Salzwasserbecken für die sog. Hälterung zur Verfügung. Die wild gefangenen, streng aquatisch lebenden Krebstiere kommen nach ihrem Transport außerhalb von Wasser per Luftfracht aus Nordamerika mit zugebundenen Scheren und mit einem farblichen Bändchen markiert in die Becken. Hier leben sie ohne Futter bis sie an Gastronomen oder Endverbraucher verkauft werden, oder bis sie von Metromitarbeitern getötet werden. Auf Grund von festgestellten Mängeln bei der Haltung entschied das Veterinäramt des Bezirksamts Spandau (Berlin), Auflagen zur genaueren Kontrolle der Haltung zu erteilen.

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Pressemitteilung-16-02-17

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