Klägerin verzichtet auf Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter des Arbeitsgerichtes Berlin Michael Ernst
Schnelle Fortsetzung des Prozesses vor höherer Instanz soll nicht verzögert werden
Die 56. Kammer des Arbeitsgerichts Berlin unter Vorsitz von Michael Ernst wird wie vorgesehen am 1. Februar 2017 (8.55 Uhr, Saal 513) ihr Urteil im Fall einer ZDF-Mitarbeiterin fällen können. In dem Verfahren geht es für die Klägerin u.a. darum, dass die Schäden ausgeglichen werden, die ihr durch die wahrscheinlich geschlechterdiskriminierende Bezahlung ihres Arbeitgebers ZDF entstanden sind. Die Klägerin ist seit vielen Jahren als Redakteurin bei Frontal 21 tätig.
Die Klägerin verzichtet in Abstimmung mit ihren Anwälten von der Kanzlei Röttgen, Kluge & Hund auf einen aussichtsreichen Befangenheitsantrag, da sich das Verfahren wegen zahlreicher Terminverschiebungen schon seit Frühling 2015 hinzieht. Der Prozess soll vielmehr schnell Fortgang vor einer höheren Instanz finden, hier also zunächst dem Landesarbeitsgericht Berlin- Brandenburg, wenn sich keine einvernehmliche Lösung finden lässt. Damit werden zahlreiche auf eine Befangenheit hindeutende Äußerungen des Richters Ernst sowie von ihm zu verantwortende schwere Prozessrechtsverstöße nicht mehr in der ersten Instanz überprüft werden. Vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg werden sie hingegen – dort wo möglich – als Berufungsgründe zur Sprache kommen. Mögliche Dienstaufsichtsbeschwerden Dritter gegen die Prozessführung des Richters bleiben davon unberührt.
Hintergrund: Zu den Gründen für einen möglichen Befangenheitsantrag
Im vorliegenden Fall spricht viel für eine Befangenheit des Richters Ernst, selbst wenn sie auf eine von vielen Prozessbeobachtern für möglich gehaltene mangelnde fachliche Eignung des Richters zurückzuführen sein sollte.
Folgende Äußerungen, die sowohl durch die Presseberichterstattung als auch vorliegende Mitschriften von im Zuhörerraum anwesenden Rechtsanwälte dokumentiert sind, haben die Grenzen einer fairen Prozessführung weit überschritten. Folgende Äußerungen legen die Vorurteile des Richters deutlich offen und können – in einem Antidiskriminierungsverfahren – als geschlechtsdiskriminierend gelten:
Auf die Frage der Klägerin, warum es Männer in der Redaktion gebe, die weniger Berufserfahrung hätten als sie und trotzdem mehr verdienten, als sie Klage einreichte:
Vorsitzender: „Weil die Kollegen besser verhandelt haben? Das nennt man Kapitalismus.“
Auf den Hinweis von Rechtsanwalt Kluge, dass nach den Leitlinien der Europäischen Kommission und der Bundesregierung eine Ungleichbezahlung nach dem sog. „Job-to-Job-Vergleich“ stattzufinden habe:
Vorsitzender: „Wo bleibt denn da die Vertragsfreiheit?“
Und:
Vorsitzender: „Das stelle ich mir spannend vor. Da würde die ganze Bundesrepublik zum Erliegen kommen.“
Sodann kam es zu Protesten im Publikum („Das ist ja wie im Mittelalter“), da der Richter die Auffassung äußerte, dass mögliche Schwangerschaften eine legitime Ursache für die Schlechterbezahlung von Frauen sein könnten. Daraufhin stellte der Richter einer Zuhörerin Ordnungsgeld in Aussicht:
Vorsitzender: „Ruhe auf den preiswerten Plätzen. Das ist nicht alles schwarz-weiß. So einfach, meine Damen, ist das nicht, auch wenn Sie noch so laut stöhnen“.
Auf die Äußerung des Prozessvertreters des ZDF, wonach es das Beste wäre, wenn das Arbeitsverhältnis aufgelöst würde, bestärkte der Richter den Prozessvertreter noch:
Vorsitzender: „Darüber habe ich auch schon nachgedacht.“
Dabei handelt es sich nicht um ein Kündigungsschutzverfahren, sondern um eine Diskriminierungsklage, also um den Schutz vor Diskriminierung in einem bestehenden Arbeits- bzw. Vertragsverhältnis.
Als evidente Rechtsanwendungsfehler sowohl in Bezug auf das Prozessrecht und sachliches Recht können folgende Aussagen angesehen werden:
Auf das (mehrmalige) Verlangen von RA Kluge, das „Angebot“ des ZDF zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 160 Abs. 4 ZPO als wichtigen Vorgang zu protokollieren:
Vorsitzender: „Das ist Rechtsanwendung… Das protokolliere ich nicht. … Auch das werde ich nicht protokollieren.“
Auf den Hinweis von RA Kluge, dass die bereits zitierten Aussagen zu den Vorgaben des Unionsrechts (Europarechts) europarechtswidrig seien, antwortete der Vorsitzende sinngemäß (die Mitschriften sind insoweit sinngemäß, aber nicht im Wortlaut übereinstimmend):
Vorsitzender (sinngemäß): „Dann verstößt das Europarecht gegen die Verfassung. Wir haben ja ein Grundgesetz. Europarecht brauchen wir nicht.“
Zum Umfang der klägerischen Schriftsätze gibt es folgende Aussagen von Richter Ernst:
Einem ehrenamtlichen Richter übergab er die Akte um ca. 9:30 Uhr vor dem noch zugeschlossenen Verhandlungssaal mit den Worten:
„Sie können ja mal die Akten durchgucken. Ich habe dafür zwei Tage gebraucht. Aber Papier ist ja geduldig.“
Es ist also mehr als zweifelhaft, ob die ehrenamtlichen Richter die Akte überhaupt gelesen haben können bzw. deren Inhalt hinreichend kannten.
10:08 Uhr (nach Sitzungsbeginn):
„Ich muss erst mal sortieren. Ich hab‘ ja das ein oder andere Schriftstück hier. Mein Freund der Baum ist tot.“ … “Die Arbeitsfläche ist schon fast zu klein!“
Ein Richter darf sich nicht kritisch zum Umfang von Schriftsätzen äußern, wenn sie sachlich notwendig sind. Dass sie sachlich notwendig sind, wird sich in der Berufungsinstanz erweisen, wenn aufgezeigt werden muss, welche rechtlichen Erwägungen die Richter in ihrem Urteil nicht berücksichtigt haben.
Auf die Bitte von RA Kluge zur Zulässigkeit/Unzulässigkeit der Statusfeststellungsklage gemäß § 139 ZPO die dort zwingend vorgesehenen rechtlichen Hinweise zu geben:
„Sie haben ja Stift und Papier dabei. Sie können ja mitschreiben. Grundsatz der mündlichen Verhandlung. Wird offenbar unterschätzt ganz oft.“
Auf die Frage von RA Kluge, ob eine Beweisaufnahme durchgeführt wird, wie von der ZPO bei entscheidungserheblichem Sachverhalt zwingend vorgeschrieben (ohne Rücksprache mit den beiden ehrenamtlichen Richtern):
„Beweis erheben wir erst dann, wenn ich überzeugt bin.”
Die vorstehend genannten, nicht einmal vollständigen, Zitate und Verhaltensweisen des Richters hätten Anlass für einen Befangenheitsantrag nach § 42 der Zivilprozessordnung gegeben. Das wäre selbst dann so, wenn sie ihre Ursache nur in einer fehlenden fachlichen Eignung des Richters finden würden. Dass ausnahmsweise auch eine fehlende fachliche Eignung zu einer Befangenheit führen kann, ist in der Rechtsprechung geklärt.
Die Besorgnis der Befangenheit im Sinne von § 42 Abs. 2 ZPO ist begründet, wenn richterliche Entscheidungen sich so weit von den anerkannten rechtlichen – insbesondere verfassungsrechtlichen – Grundsätzen entfernen, dass sie aus Sicht der Parteien nicht mehr verständlich sind und dadurch den Eindruck einer willkürlichen Einstellung des Richters erwecken (so etwa für viele Kammergericht Berlin, Beschluss vom 08.06.2006 – 15 W 31/06 -).
Nach § 42 Abs. 2 ZPO setzt die Ablehnung einen Grund voraus, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Vorsitzenden zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Misstrauen sind gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, dass der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde (so etwa Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. August 2013 – 23 TaBV 737/12 ).
Zivilprozessordnung
§ 42 Ablehnung eines Richters
(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.
(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.
(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.
Für Presseanfragen zuständig ist Herr Rechtsanwalt Kluge:
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