„Stuttgart 21“ auf dem Prüfstand des Bundesverwaltungsgerichts

Pressemitteilung | Berlin/Köln 10.06.2016

Röttgen, Kluge & Hund Rechtsanwälte vertreten Initiatoren eines Bürgerbegehrens gegen das Bahnprojekt „Stuttgart 21“ vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig

Der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts wird sich am 14.06.2016 mit der Revision dreier Kläger und Mitunterzeichner eines gegen das Bahnprojekt „Stuttgart 21“ gerichteten Bürgerbegehrens befassen, die sich gegen die Nichtzulassung ihres Bürgerbegehrens von 2011 durch die Stadt Stuttgart und die verwaltungsgerichtlichen Vorinstanzen wenden.

Röttgen, Kluge & Hund Rechtsanwälte haben die drei Vertrauenspersonen und Mitunterzeichner des Bürgerbegehrens „Ausstieg der Stadt aus dem Projekt Stuttgart 21“ bereits vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart und dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim vertreten und konnten den Rechtsstreit jetzt vor das höchste deutsche Verwaltungsgericht in Leipzig bringen.

Dem Verfahren kommt im Hinblick auf die einschlägigen verfassungsrechtlichen Fragen der Bund-Länder-Finanzbeziehungen eine grundsätzliche Bedeutung zu, weil dem Bürgerbegehren die Rechtsauffassung zugrunde liegt, dass die pauschale Mitfinanzierung des Eisenbahnprojekts „S 21“ durch die Stadt Stuttgart und das Land Baden-Württemberg verfassungswidrig sei. Diese Auffassung war erstmalig von dem bekannten Staatsrechtler Prof. Hans Meyer, dem früheren Präsidenten der Humboldt-Universität Berlin, im Jahre 2011 mit Hinweis auf die grundsätzlich unzulässige Mischfinanzierung staatlicher Aufgaben öffentlich vertreten worden (vgl. etwa Süddeutsche Zeitung vom 11. August 2011). Auch nach Auffassung der Kläger ergibt sich aus Art. 104 a Abs. 1 GG das Verbot der gemeinsamen Finanzierung des Baus von Eisenbahnen des Bundes durch die Länder und Gemeinden, weil dies allein eine Bundesaufgabe sei. Über ihre Projektbeteiligung finanziere die Stadt Stuttgart somit verfassungswidrig eine Bundesaufgabe mit.

Zum Verlauf und Hintergrund des Verfahrens:

Nachdem der Gemeinderat der Landeshauptstadt Stuttgart die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens verneint und das Verwaltungsgericht Stuttgart dies in erster Instanz ebenso gesehen hatte, konnten Röttgen, Kluge & Hund Rechtsanwälte in der Berufung vor dem VGH Mannheim die Einhaltung der landesrechtlichen Zulässigkeitsanforderungen an die Einreichung des Bürgerbegehrens (u.a. hinsichtlich Begründungsanforderungen oder Kostendeckung) bereits im Sinne der Kläger erfolgreich gerichtlich bestätigen lassen; die Rechtswidrigkeit des Projekts „Stuttgart 21“ im Hinblick auf seine Finanzierung wurde aber bisher verneint.

Das Bundesverwaltungsgericht wird nunmehr zu klären haben, ob sich die Stadt Stuttgart an der Neugestaltung des Stuttgarter Bahnhofs finanziell beteiligen darf oder eine solche Mitwirkung gegen das Prinzip der sog. Konnexität aus Art. 104a Abs. 1 verstößt.

Nach Auffassung des VGH Mannheim schließt das verfassungsrechtliche Verbot der Mischfinanzierung nicht aus, dass mehrere betroffene Aufgabenträger eine Maßnahme gemeinsam finanzieren. Durch die Verlagerung des Bahnhofes in den Untergrund entstehe künftig eine Fläche von 100ha ehemaliger Bahnfläche, für welche die Stadt die Zuständigkeit zur städtebaulichen Planungshoheit habe. Eine finanzielle Beteiligung sei deshalb nicht zu beanstanden.

Die Kläger sehen hingegen in dem Projekt „S21“ ein reines Bahnprojekt, das die Stadt Stuttgart mitfinanziere, um später auf dieser Grundlage eine eigene, städtebauliche Aufgabe wahrzunehmen. Der Argumentation des VGH Mannheim wird insoweit inzwischen auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur vor allem vorgehalten, dass eine Freistellung von 100ha Bahngelände als hoheitlicher Akt erst in der Zukunft stattfinden werde und die Gemeinde somit derzeit noch nicht die Planungshoheit besitze. Darüber hinaus wird weiterhin argumentiert, dass ein pauschales Abstellen auf die Planungshoheit einer Kommune, wie es der VGH Mannheim vornimmt, das Verbot der Fremdfinanzierung in das Gegenteil umwandle und folglich zum Normalfall würde. Auf dieser Argumentationsgrundlage könne demnächst jeder Kasernen- oder Ministeriumsneubau zu einer Aufgabe werden, die die Kommunen mitfinanzieren müssten.

Für Presseanfragen zuständig ist Herr Rechtsanwalt Kluge, der auch vor dem Bundesverwaltungsgericht auftreten wird.

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2016-10-06 Pressemitteilung