Was ist Nachhaltigkeit?

Nachhaltigkeit beschreibt und meint die allgemeinen Anforderungen an eine ökologisch, ökonomisch und sozial ausgewogene Entwicklung. Die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung umfasst vier Hauptthemen, die den Begriff der Nachhaltigkeit in diesem Sinne präzisieren: Generationengerechtigkeit, Lebensqualität, sozialer Zusammenhalt und Internationale Verantwortung. Der dabei im Mittelpunkt stehende Begriff der Generationengerechtigkeit (Hans Jonas) lässt sich als Imperativ wie folgt beschreiben:

Die im Bereich der Politik und der Gesellschaft tätigen Entscheidungsträger müssen so handeln, dass diese Handlungen nicht zu Lasten künftiger Generationen gehen.

Ein erster Schritt in Richtung dieses weiten Begriffsverständnises war die im Jahr 1972 im Auftrag des Club of Rome veröffentlichte Studie “Grenzen des Wachstums”. Die wichtigste Schlussfolgerung lautete, dass, wenn “die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält“, “die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht” werden würden. Diese Studie war einer der wesentlichen Vorläufer für den nachfolgenden, im Auftrag der Vereinten Nationen entstandenen, sog. Brundtland-Bericht aus dem Jahr 1987, der den offiziellen Titel “Unsere gemeinsame Zukunft” trägt. Die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Schutz des Menschen und der Umwelt – Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung” hat deshalb in ihrem Abschlussbericht vom 26.06.1998, in dem sie sich wesentlich auf den Brundtland-Bericht und den nachfolgenden Erdgipfel von Rio de Janeiro 1992 bezog, ein „Konzept Nachhaltigkeit“ als Leitbild formuliert. Auf dessen Grundlage forderte die Enquete-Kommission weltweite Maßnahmen in der Umwelt-, Entwicklungs-, Sozial- und auch der Wirtschaftspolitik .

In Deutschland wird dieser weite Ansatz in der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie dadurch verdeutlicht, dass Themen benannt werden, die auf den ersten Blick mit dem umgangssprachlich verwendeten Begriff der Nachhaltigkeit nichts gemein haben. Die Reduzierung der Schadstoffbelastung der Luft wird beispielsweise ebenso einbezogen wie die Verminderung der Kriminalität, die Gleichbehandlung von Mann und Frau etwa im Berufsleben, die Erhöhung der Erwerbstätigenquote mit Blick auf die demografische Entwicklung und der Anteil öffentlicher Entwicklungsausgaben am Bruttonationaleinkommen.

Unsere Gründungsgesellschafter Dr. Norbert Röttgen und Hans-Georg Kluge haben in einem Aufsatz in der Neuen Juristischen Wochenschrift erstmals am Beispiel des § 87 Aktiengesetz (AktG) öffentlich dargelegt, dass sie sie den oben skizzierten Begriff der Nachhaltigkeit auch als maßstäblich für das Verständnis dieses Begriffes in der Rechtssprache ansehen. Die bei der Definition der Nachhaltigkeit häufig zu beobachtende Ratlosigkeit im Schrifttum mag damit zusammenhängen, dass die „Nachhaltigkeit“ als Rechtsbegriff nicht nur im Aktiengesetz bisher völlig unbekannt war und ohnehin im Verdacht steht, es handle sich um einen „Neologismus“. Zutreffend weisen mehrere Autoren jedoch darauf hin, dass es den Rechtsbegriff der Nachhaltigkeit mit durchaus unterschiedlichen Bedeutungen in der deutschen Rechtssprache schon länger gibt. Andere machen geltend, dass der Begriff der Nachhaltigkeit schillernd sei und jedenfalls im Kontext des § 87 AktG nichts mit „nachwachsenden Rohstoffen“ zu tun haben könne. Es gehe vielmehr allein um den langfristigen Erhalt eines Unternehmens, wozu gesundes Wachstum und auskömmliche Erträge sowie die Vermeidung existenzgefährdender Risiken und die Eigenkapitalvorsorge für schlechte Zeiten gehören sollen. Mit der Einführung des Tatbestandsmerkmals der nachhaltigen Unternehmensentwicklung habe der Gesetzgeber lediglich das Problem entschärfen wollen, welches man plastisch als „Zeitpräferenzkonflikt“ bezeichne: Vorstandsmitglieder, die am Unternehmensgewinn beteiligt seien, hätten aus verschiedenen Gründen (z. B. baldiger Unternehmenswechsel oder bevorstehende Verrentung) eine sehr hohe Gegenwartspräferenz und bevorzugten deshalb häufig Investitionsobjekte mit kurzfristig hohen Einzahlungsüberschüssen. Hier komme nun der Gedanke der Nachhaltigkeit ins Spiel. Denn dieses neue Tatbestandsmerkmal solle – negativ formuliert – ein unternehmerisches „Strohfeuer“ verhindern, das alsbald wieder erlösche. Diese Gesetzesauslegung erfolgt weitgehend spekulativ und losgelöst von Gesetzesmaterialien. Dem Gesetzgeber wird ersichtlich allemal zugetraut, dass er „unglücklich“ formuliert hat, so dass seine Fehler durch eine pragmatische und praxisnahe Auslegung korrigiert werden müssten.

Der Weg einer umfassenden Anwendung des juristischen Instrumentariums wird von diesen Autoren hingegen nicht eingeschlagen. Eine andere Vorgehensweise hätte hier allerdings deshalb nahe gelegen, weil – bei aller noch vorhandenen Uneinigkeit über den Begriff der Nachhaltigkeit – schon seine intensive Nutzbarmachung im politisch-gesellschaftlichen Raum in den letzten Jahren die Frage aufwirft, ob der so entstandene Begriffsinhalt auch Einfluss auf eine Gesetzesauslegung nach objektiven Maßstäben haben muss.

Wer sich auch immer in den vergangenen Jahren in der wissenschaftlichen Literatur über den Inhalt des Begriffes der Nachhaltigkeit Gedanken gemacht hat, kam meistens nicht umhin, sich zuerst mit dessen Entstehung im Recht der Forstwirtschaft auseinanderzusetzen, wo er bereits im 18. Jahrhundert Einzug gehalten hatte. Dabei stand insbesondere die langfristige Sicherung des Ertrags durch eine entsprechende Nutzung und Erzeugung des Holzes im Vordergrund. Mit den modernen Entwicklungen des Nachhaltigkeitsbegriffes hat das indes nur noch sehr wenig zu tun. Seit der Vorlage des Abschlussberichtes „Our Common Future“ der Brundtland-Kommission der Vereinten Nationen im Jahr 1987, spätestens aber seit der Konferenz der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro im Jahr 1992, muss von einem anderen Begriffsverständnis ausgegangen werden.

Schon die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Schutz des Menschen und der Umwelt – Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung“ hat deshalb in ihrem Abschlussbericht vom 26. 6. 1998, in dem sie sich wesentlich auf den Brundtland-Bericht und den nachfolgenden Erdgipfel von Rio bezog, ein Konzept von Nachhaltigkeit als Leitbild formuliert, das einen gänzlich anderen Inhalt als der überkommene forstrechtliche Begriff hat. Die von allen Fraktionen des Deutschen Bundestages getragene Kommission betonte vielmehr, dass der Erdgipfel von Rio zum Symbol eines neuen Bewusstseins für die gemeinsame Verantwortung der Weltgesellschaften geworden sei. Die dort anwesenden 178 Staaten hätten sich dazu bekannt, das Leitbild „sustainable development“ auszufüllen, und deshalb weltweite Maßnahmen in der Umwelt-, Entwicklungs-, Sozial- aber auch der Wirtschaftspolitik gefordert.

Dieses neue und weite Verständnis des Nachhaltigkeitsbegriffes hat dann eine vielfältige Bestätigung gefunden. Weil in der auf dem Erdgipfel in Rio ebenfalls beschlossenen Agenda 21 der Auftrag an die nationalen Regierungen enthalten war, nationale Nachhaltigkeitsstrategien zu entwickeln, wurde eine solche Nachhaltigkeitsstrategie am 17. 4. 2002 auch für Deutschland unter dem Titel „Perspektiven für Deutschland“ beschlossen. Die Leitlinien der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie zeigen, an welchen übergeordneten Zielen sich die deutsche Politik künftig orientieren soll: Generationengerechtigkeit, Lebensqualität, sozialer Zusammenhalt und internationale Verantwortung. Diese Leitlinien, die nur als gesamtgesellschaftliche Ziele denkbar sind, verbinden jedes für sich ökologische, ökonomische und soziale Aspekte.

Die vier Leitlinien sowie die ursprünglich 21 Schlüsselindikatoren und die ihnen zugeordneten Ziele der Nachhaltigkeitsstrategie sind es, an denen sich politische Entscheidungen mit Blick auf nachhaltige Entwicklung messen lassen sollen. Der umfassende Nachhaltigkeitsbegriff entspricht also einem übergreifenden Verständnis im politischen Raum.

Als Ergebnis bleibt somit festzuhalten, dass nach allgemeinem politisch-gesellschaftlichen Verständnis das Prinzip der Nachhaltigkeit heute als eine Handlungsmaxime angesehen wird, auf Grund derer sich jedes staatliche Handeln auf eine ökologische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung hin auszurichten hat, welche die Bedürfnisse heutiger wie auch zukünftiger Generationen berücksichtigt (so genanntes Drei-Säulen-Konzept). Die ökologische, vor allem auf Ressourcenschonung ausgerichtete Nachhaltigkeit stellt nur eine – wenngleich tragende – Säule der Nachhaltigkeit im weiten Sinne dar. Seit einigen Jahren wird die Nachhaltigkeit auch als Rechtsbegriff überwiegend mit dem Drei-Säulen-Konzept erklärt.

Es gibt keine Gründe, die ein gänzlich anderes, spezifisch juristisches Begriffsverständnis der Nachhaltigkeit legitimieren. Rechtsnormen des Bundes und der Länder sind in diesem Sinne, soweit sie nachhaltiges Handeln bezwecken oder gebieten. als „nachhaltiges Recht“ oder Recht der Nachhaltigkeit zu verstehen und auszulegen. Das folgt zudem für das Umweltrecht und Tierschutzrecht aus den im Bundes- und Landesverfassungsrecht – namentlich in Art. 20a GG – verankerten Staatszielen.